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New Yorker Lions Pressemitteilung vom 19.11.2013

Vom Footballfeld zur Olympia-Medaille?
Von: Gerald Meier

Deutscher Meister schult um – Test als Bremser im Bob-Team . Deutscher Meister ist er schon, Europameister auch. Und nun zieht es Hannes Irmer auf den Olymp.

Sotschi soll es sein, die Olympischen Winterspiele im Februar kommenden Jahres in der russischen Stadt am Schwarzen Meer. Doch wie soll das gehen, als Protagonist des American Football, einer Sportart, die noch nie olympisch war – schon gar nicht bei Winterspielen?

Irmer sattelt um, zumindest zeitweise, und wird Bob-Anschieber. „Das ist für mich eine neue Dimension. Sich zu messen und auszuprobieren, ob man das auch hinkriegt. Das interessiert mich“, sagt der 25-Jährige. Herausfinden will das der Center der New Yorker Lions mit der Bärenkraft an diesem Wochenende. Dann wird er in Altenberg gecastet - als möglicher Bremser, vielleicht sogar in einem der deutschen Weltklasse-Bobs, die im „Russian National Sliding Center“ von Krasnaja Poljana, gut 50 Kilometer von Sotschi entfernt, wie immer zu den großen Medaillenkandidaten zählen.
Nach großen Vorbildern hat Hannes Irmer nicht lange suchen müssen. In Düsseldorf, wo er bis vor einem Jahr selbst noch hinter dem Football hergejagt ist, hat schon Richard Adjei gespielt. Auch der 30-Jährige ist von Bundestrainer Christoph Langen vor Olympia in Vancouver entdeckt und getestet worden. In Kanada 2010 holte der Sohn einer Deutschen und eines Ghanaers im Bob von Thomas Florschütz die olympische Silbermedaille, geschlagen nur von Bob Deutschland I mit Andre Lange an den Lenkseilen.

Der einstige Olympiasieger Langen, der im Zweier- und Viererbob alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt, und sein für den Nachwuchs zuständiger Kollege Gerd Leopold sind ständig auf der Suche nach neuen Talenten. „90 Prozent unserer Jungs sind Quereinsteiger. Auch ich war einer“, erzählt Langen. Natürlich ist ein Glücksgriff wie mit Adjei nicht alltäglich, aber warum sollte Irmer es ihm nicht gleichtun?

Die körperlichen Voraussetzungen jedenfalls stimmen schon mal. Erst recht seit Irmer Gewicht gemacht hat und jetzt wie sein Eiskanal-Vorbild ehedem bei 190 Zentimetern Körpergröße 110 Kilo wiegt. „Ich habe abgenommen“, erzählt er stolz. 15 Kilo. Der Beweglichkeit, Athletik und Explosivität war das sicher förderlich. Und darauf kommt es an, wenn Irmer am Wochenende in Altenberg den Sommerbob anschieben muss.

Tests wie dieser sind für Langen & Co. eine Routine, die sich alle paar Wochen wiederholt. „Dann schauen wir, wie stellen sich die Jungs technisch an, wie schaut das Laufbild aus, wie ist die athletische Konstitution. Dann entscheiden wir: Okay, das könnte hinhauen, oder es hat keinen Sinn. Ein ganz normaler Anschubtest eben“, so Langen.
Für den Bundestrainer hat der Olympia-Countdown längst begonnen. Deshalb wird er in Altenberg auch nicht selbst an der Bahn stehen können. Von Sotschi aus, wo er und seine Teams in der vergangenen Woche die bei BMW in München und der Berliner Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte (FES) aerodynamisch komplett überarbeiteten Bobs auf der Olympia-Bahn getestet und vor den spionierenden Kollegen so gut es ging verborgen haben, ist Langen nach Kanada weitergereist. „Wir sind ja mitten in der Saison.“

Ob Irmer ein zweiter Adjei werden kann oder nicht, wird Langen spätestens erfahren, wenn es nach einem gelungenen Test endlich in den Eiskanal geht. Dann muss Irmer nicht nur kräftig und schnell schieben, sondern auch den Sprung in den Bob schaffen. „Aber erst einmal soll er anschieben“, sagt Langen. „Wenn alles okay ist, kann er im Training mitfahren und auch das Einsteigen üben.“
Gut gerüstet für den Job als Anschieber fühlt sich Irmer schon jetzt. „Bei den New Yorker Lions spiele ich in der Offense Line. Ich schiebe die Verteidiger sozusagen weg, damit andere hinter mir her rennen können“, erklärt der Medizinstudent. Ist er nervös? „Nee. Ich bereite mich natürlich vor, und die Spannung steigt. Aber nervös bin ich nicht.“ Sagt er jedenfalls.
„Es ist doch eher eine Extrachance für mich und ein interessanter Einblick.“ Und so ganz artfremd sei das Bobfahren für einen Footballspieler schließlich auch nicht. Die Parallelen seien doch offensichtlich: „Tiefer Körperschwerpunkt, eine explosive Hüfte und Schnellkraft auf den Punkt ist gefragt. Und natürlich: Es ist ein Teamsport wie Football.“

An der Schnelligkeit arbeitet der Hüne noch, der in diesem Jahr mit den New Yorker Lions aus Braunschweig Deutscher Meister wurde und 2010 bei der EM im eigenen Land mithalf, den Titel zum zweiten Mal nach 2001 nach Deutschland zu holen. Zwar ist er ganz zufrieden mit den 5,0 Sekunden im Sprinttraining über 40 Yards (ca. 36 Meter). Aber ein erfolgreicher Anschieber darf ruhig schneller sein.
Vielleicht entpuppt sich Irmer ja als Naturtalent. Langen würde es freuen, obwohl es die Ordnung in seinem Olympia-Team durcheinander wirbeln könnte. „Da kann man nicht einfach kommen und unsere besten Jungs wegschieben“, erklärt Langen und dämpft allzu hochfliegende Erwartungen: „Für Sotschi könnte es wohl ein bisschen knapp werden.“

Dabei wäre Irmer sogar bereit, sein geregeltes Leben für einen Start bei Olympia komplett auf den Kopf zu stellen. Wenn es denn so wäre, würde er Football erst einmal Football sein lassen und sogar sein im April anstehendes Medizin-Examen verschieben. „Das muss dann einfach sein.“ Doch so weit will Irmer noch nicht denken. Denn dann wäre es mit der inneren Ruhe beim Bob-Casting in Altenberg vorbei.

Foto - Hannes Irmer beim Einlauf GB XXXV