Schwäbisch Hall Unicorns
Pressemitteilung vom 30.12.2022
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Q&A: Wengertsmann und Seiffer im Interview
Nina Wengertsmann und David Seiffer blicken auf die erste Saison in ihren Ämtern zurück

von Axel Streich

Nina Wengertsmann und David Seiffer bilden seit neun Monaten die Spitze der Schwäbisch Hall Unicorns. Kurz vor dem Jahreswechsel berichten die Vorsitzende und ihr Stellvertreter im Interview von turbulenten und arbeitsreichen Monaten. Außerdem nehmen sie Stellung zu den diesjährigen Veränderungen bei den Haller Footballern und zu den aktuellen Diskussionen im deutschen Spitzenfootball.

Nina und David, wie habt ihr die ersten neun Monate als Unicorns-Spitze erlebt und was hat Euch am meisten in den neuen Jobs überrascht?

Nina Wengertsmann: Turbulent und sehr schnelllebig. Die Zeit ging für mich rasend schnell vorbei und die Ereignisse haben sich überschlagen: Im April die Ämterübergabe an uns und dann ging es auch schon los mit einer wirklich grandiosen Saison, mit vielen Höhen und einigen Tiefen und einem sehr emotionalen Saisonabschluss auf dem Marktplatz. Es ging für uns alles Schlag auf Schlag. Die Saison musste laufen und gut organisiert sein und nebenbei haben David und ich versucht, so gut es ging in unseren neuen Funktionen anzukommen. Ich habe die Einführung trotz der vielen Themen als sehr angenehm empfunden und bin überzeugt, dass der gute Übergang nur dank unserem eingespielten und super funktionierenden Vorstandsteam gelingen konnte. Auf dieses Team bin ich übrigens mächtig stolz!
Überrascht hat mich tatsächlich, wie schnell ich mich ziemlich tief in der Materie eingefunden habe. Aber am meisten fasziniert mich, was man im Ehrenamt mit viel Herzblut und der nötigen Manpower alles auf die Beine stellen kann.

David Seiffer: Es war auch für mich eine sehr turbulente Zeit. Sportlich gesehen war unsere erste Saison ein voller Erfolg. Viele unserer Teams sind über sich hinausgewachsen und haben Großes erreicht. Zum Beispiel hat sich unsere U19 bis ins Halbfinale um die deutsche Meisterschaft gekämpft. Unsere GFL-Mannschaft konnte gleich zwei Titel nach Schwäbisch Hall holen: den 5. Deutschen Meistertitel und den 2. CEFL-Titel. Damit haben die Unicorns ein weiteres Mal bewiesen, dass sie die beste Mannschaft in Europa sind. Gleichzeitig gab es aber auch schwere Verluste zu verzeichnen, insbesondere die Erfolgstrainer Jordan Neumann und Johannes Brenner nach Saisonende.
Am meisten überrascht hat mich wahrscheinlich, wie viele Menschen ehrenamtlich daran arbeiten, dass die Teams der Unicorns ihrer Leidenschaft Football zu spielen nachkommen können.

Ihr habt es erwähnt: 2022 war eine ereignisreiche Saison für die Unicorns. Man durfte viele Erfolge bei den Aktiven und in der Jugend feiern, musste aber auch viele Veränderungen verkraften, sowohl im Vorstand als auch zuletzt im GFL-Team. Was war dabei für Euch das beeindruckendste Erlebnis?

D.S.: Auf vieles davon bin ich ja schon eingegangen, will aber den Punkt des ehrenamtlichen Engagements, der mich wirklich sehr beeindruckt, an einem Beispiel verdeutlichen: Dass wir den CEFL Bowl im Optima Sportpark ausrichten dürfen, haben wir nur zehn Tage vorher erfahren. Kurzerhand haben die Family und weitere Helfer ein komplettes Heimspiel mit Bowl-Rahmenprogramm und Siegerehrung auf die Beine gestellt. Um so etwas zu leisten, sind hunderte von ehrenamtlichen Stunden notwendig und es zeigt deutlich, was hier bewegt wird.

N.W.: Emotional war das Jahr ziemlich herausfordernd. Das für mich Beeindruckendste ist zu erleben, mit welch großartiger Loyalität unsere Fans, die Family, die Spieler, Trainer und Abteilungsmitglieder ihre Unicorns unterstützen. Mit Loyalität meine ich die Einstellung „Wir geben nicht auf und stecken den Kopf in den Sand, sondern geben jetzt erst recht Gas! Wir stehen zu den Unicorns oder besser gesagt, wir SIND die Unicorns!“. Gleichzeitig ist es genau dieser Personenkreis, der kein schlechtes Wort über scheidende Trainer und Spieler verliert und ihnen zudem auf Ihrem Weg alles Gute wünscht. Es gab im Herbst keinen Shitstorm und es wurde keine schlechte Stimmung verbreitet. Wir als Unicorns-Organisation erleben in diesen Wochen die pure Rückendeckung. Das bereitet mir Gänsehaut PUR!
Ich finde es auch sehr beeindruckend, wie wir mit den zwei Unicorns-Eigengewächsen Head Coach Christian Rothe und Offensive Coordinator Felix Brenner in sehr kurzer Zeit die Weichen für die Zukunft gestellt haben. Ich bin den beiden sehr dankbar, dass Sie nach nur wenig Bedenkzeit die Verantwortung übernommen haben. Auch das macht mich unglaublich stolz und zeigt, für was die Unicorns stehen!

Der Weggang von Jordan Neuman, Johannes ‚Jonny‘ Brenner und Cody Pastorino hat viele überrascht und enttäuscht. Manche reden von einem Verlust, der nicht zu kompensieren sei. Ist das so?

D.S.: Mittlerweile haben sich ja noch ein paar mehr Trainer und Spieler den dreien angeschlossen. Das war zwar zu erwarten, es ist aber dennoch sehr schade zu sehen, wie viele sich entschieden haben, ihren Weg ohne die Unicorns zu gehen. Diese Verluste werden wir in der nächsten Saison nicht vollständig kompensieren können. Wir sehen den Wechsel aber auch als eine Chance! In den letzten Jahren wurde sehr viel, eventuell auch etwas zu viel, auf Spieler gesetzt, die nicht aus unserem eigenen Jugendprogramm gekommen sind. Und genau das ist eigentlich die Stärke der Unicorns: eine Jugendarbeit, die es in Europa in diesem Umfang nur sehr selten gibt. Genau hierauf wollen wir in der Zukunft wieder stärker bauen. Das wird etwas Zeit benötigen, aber wir sind uns sicher, dass dies die Unicorns auch langfristig zu einem der besten Teams Europas machen wird, und zwar „Made in SHA“.
Mit Christian Rothe und Felix Brenner haben wir hier schon die ersten Grundsteine gelegt. Auch diese haben eine lange Unicorns-Vergangenheit. Sie kennen unsere Werte in- und auswendig und leben sie. Dazu stößt Mike Freckmann als Defensive Coordinator, der als vormaliger U19-DC unseren Nachwuchs in- und auswendig kennt. Wir sind uns sicher, dass sie eine GFL-Mannschaft aufbauen, die aus der Unicorns-Schmiede kommt. Natürlich werden wir uns aber auch weiterhin mit Talenten und Impact-Spielern von außerhalb verstärken.

Jordan Neuman war der Ideengeber und Sportlicher Leiter der Unicorns Academy am Evangelischen Schulzentrum in Michelbach/Bilz. Wie geht es dort nun weiter?

N.W.: Die Academy ist eines unserer Aushängeschilder und wir sind sehr stolz darauf! Wir sind auch überaus dankbar für die tolle Arbeit, die Jordan Neuman dort zusammen mit Cody Pastorino und anderen Übungsleitern seit der Gründung vor mehr als fünf Jahren geleistet hat! Bis zu den Weihnachtsferien lief der Academy-Betrieb personell unverändert weiter, denn wir haben in Michelbach ja auch eine Mitverantwortung für den Lehr- und Stundenplan von 48 Academy-Kids. Da kann man den Unterricht nicht mal einfach so von heute auf morgen aussetzen. Wir sind froh, dass Jordan diese zwei Monate weiter dort tätig war.
Das ist für die Schule und uns aber kein praktikables Zukunftsmodell, denn Jordan und Cody haben jetzt einen anderen Arbeitgeber, der mit uns an vielen Stellen konkurriert. Daraus würden zwangsläufig Interessenskonflikte entstehen, die wir allen Beteiligten ersparen wollen. In enger Abstimmung mit der Schulleitung haben wir nun mit Ian Gehrke für den sportlichen Bereich und Daniel Graf für das Organisatorische eine sehr gute Nachfolgelösung gefunden. Beide haben sich den Academy-Kids schon vor Weihnachten vorgestellt und im neuen Jahr gehen sie hochmotiviert und mit vielen neuen Ideen an die Arbeit. Zusammen mit der Schulleitung freuen wir uns schon darauf!

D.S.: Die angesprochene Konkurrenz ist uns in den letzten Wochen übrigens schon deutlich vor Augen geführt worden. Viele Unicorns-Trainer und -Spieler werden wir im nächsten Jahr im Team von Jordan und Jonny in Stuttgart sehen und das ist kein Zufall. Unsere ehemaligen Coaches haben großes für die Unicorns geleistet und das machen sie nun verständlicherweise auch für ihren neuen Arbeitgeber. Genau deswegen ist es für uns in der Zukunft wichtig, unsere Jugendarbeit auch von uns selbst gesteuert zu wissen. 

Jordan, Jonny und Cody sind nach Stuttgart in die European League of Football (ELF) gewechselt. Das hat die Diskussion in Football-Deutschland zu dieser Liga und zu deren Auswirkungen auf die GFL weiter befeuert. Wie ist die Haltung der Unicorns in dieser Diskussion?

D.S.: Persönlich sehe ich das so: Mit der ELF kommt eine Franchise-Liga aus dem Nichts als Konkurrenz zur GFL und anderen europäischen Ligen auf die Spielfläche. Prinzipiell muss man zuerst einmal anerkennen, dass es diese Liga nur deshalb geben kann, weil es zuvor ein Vakuum gab, das die Gründer der ELF erkannt haben. Meiner Meinung nach war es notwendig, dieses Vakuum zu füllen. Ich hätte es allerdings präferiert, wenn dies zusammen mit der GFL und ihren Vereinen erfolgt wäre bzw. die GFL und der europäische Verband dies selbst erkannt und umgesetzt hätten.
Die jetzige Situation empfinde ich nicht als zukunftsfähig. Wir haben momentan eine GFL, die von vielen Spielern und Trainern nicht mehr als die beste Liga in Deutschland empfunden wird. Gleichzeitig haben wir eine Franchise-Liga, die sich in Deutschland an den Spielern und Trainern bedient, die in den Vereinsstrukturen ausgebildet wurden.
Nichtsdestotrotz halte ich es für wichtig, dass die beiden Ligen in einen Dialog auf Augenhöhe finden, um am Ende das Beste für den Football in Deutschland herauszuholen.

Du sprichst von einem Vakuum, David. Oft hört man auch den Vorwurf, dass die GFL Entwicklungen verschlafen hätte und die ELF ihr nun vormacht, wie man es hätte machen müssen. Seht ihr das auch so?

N.W.: Es steht für uns außer Frage, dass sich die GFL in verschiedenen Bereichen weiter entwickeln muss. Wie mir berichtet wurde, war das vielen in der GFL schon länger klar. Bereits im Corona-Sommer 2020, also noch vor dem Auftauchen der ELF, wurden dazu auch die ersten Schritte gegangen. Für manche kam das vielleicht zu spät, es ist aber müßig, sich darüber aufzuregen, was man früher alles hätte machen können, sollen oder gar müssen. Die Aufstellung der Liga in der neuen Organisationsform des Ligaverbundes GFL e. V. ist gut und richtig und man kann schon einige positive Entwicklungsschritte sehen. Beispielhaft seien hier nur die Themen Ligasponsor, Livestream-Plattform und Interconference-Spiele erwähnt.

D.S.: Meiner Meinung nach hat der AFVD und damit auch die GFL schon das ein oder andere verschlafen. In den zehn Jahren zwischen meiner aktiven Zeit als Spieler bis jetzt hat sich bei den Unicorns sehr viel verändert. Die Weiterentwicklung ist deutlich erkennbar. Vom Verband und der Liga kann ich das nur bedingt sagen. Ich hoffe da auch sehr auf die neu gewählte Spitze des AFVD und ich stimme Nina zu: Es ist enorm wichtig, dass der Ligaverbund gegründet wurde. Dadurch wird sich zukünftig hoffentlich noch mehr ändern. Gleichzeitig ist für eine Veränderung aber Voraussetzung, dass die Vereine in der GFL diesen Bedarf auch sehen und selbst aktiv in die Umsetzung gehen. Hier sehe ich momentan die größten Herausforderungen.

Hängt die Entwicklung der GFL im Vergleich zur ELF also ausschließlich am womöglich fehlenden Willen zur Veränderung?

D.S.: Nein, das kann man so nicht sagen. Es ist immer schwieriger eine Veränderung in bestehenden Strukturen herbeizuführen, als eine neue Organisation mit neuen Strukturen zu schaffen. Vor allem, wenn die eine Organisation, in diesem Falle die GFL, dies in demokratischen Strukturen macht, wo alle Vereine überzeugt werden müssen und ein Mitspracherecht haben. Die andere Organisation kann hingegen aufgrund ihrer Struktur diese Vorgaben einfach diktieren. Dementsprechend ist es enorm wichtig, dass alle GFL-Vereine die Notwendigkeit für Veränderung erkennen, wenn der Vereinsfootball später nicht nur als Ausbildungsbetrieb für die ELF gesehen werden soll.

Beim Thema ELF wird in Schwäbisch Hall oft die Frage gestellt, weshalb die Unicorns angesichts ihrer sportlichen Stärke nicht einfach von der GFL in die ELF wechseln.

D.S.: Hier spielen sehr viele Faktoren eine Rolle. Zuallererst verbieten beide Ligen einen solchen Wechsel. Die GFL bzw. der AFVD, weil die ELF keine von den internationalen Verbänden anerkannte Liga ist. Dies bedeutet, dass eine Teilnahme an der ELF aus Sicht des AFVD einen illegalen Spielbetrieb darstellt. Dies kann zu ernstzunehmenden Konsequenzen bis hin zum Lizenzentzug aller Unicorns-Mannschaften, inklusive der Jugend, führen. Auf der anderen Seite verbietet es aber auch die ELF, da dort keine Vereine sondern nur Kapitalgesellschaften am Wettbewerb teilnehmen dürfen.
Das sind aber nur die Rahmenbedingungen auf dem Papier. Ob die Unicorns mit ihrer Tradition und ihren Werten überhaupt zur ELF passen würden, das steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt. Was für die Unicorns immer an oberster Stelle stehen muss, ist, dass man den Verein zum Wohle aller Beteiligten und Mitglieder immer vollumfänglich selbst steuern kann und die Zügel somit in den eigenen Händen hält.

Zu guter Letzt: Ein weiteres Thema im deutschen Football ist derzeit die Neuwahl des Präsidiums des American Football Verbandes Deutschland (AFVD) im November. Wie steht ihr zu diesem Vorgang?

N.W.: David und ich sind zu kurz im Amt, um fundiert beurteilen zu können, ob die öffentlich diskutierten Vorwürfe gegen das alte Präsidium berechtigt waren oder nicht. Völlig unabhängig davon war aber auf jeden Fall auch für uns spürbar, dass sich insbesondere am Ex-Präsidenten Robert Huber viel Unzufriedenheit und ein Konflikt in der Football-Szene festgemacht hatte, der vieles lähmte, Entwicklungen bremste und in verschiedenen Gremien unnötig Zeit und Nerven kostete. Mit der Neuwahl des AFVD-Präsidiums, dem ich viel Glück und Erfolg für die neuen Aufgaben wünsche, gibt es die Chance, diese Konflikte zu beenden und mit frischem Wind die wichtigen Zukunftsaufgaben anzugehen. Persönliche Eitelkeiten und Interessen sollten da dem Football und seinen Sportlern zu Liebe hinten anstehen.

Nina und David, herzlichen Dank für dieses Gespräch!


Foto: M. Löffler